Katherina Ushachov – Der tote Prinz

Katherina Ushachov – Der tote Prinz

rezensiert von Nicole am 08.03.2019
-Rezensionsexemplar-

Titel: Der tote Prinz
Reihe: abgeschlossenes Buch (Teil 16 der Märchenspinnerei)
Autor: Katherina Ushachov
Genre: Märchenadaption, Dystopie
Seitenanzahl: 137
Erscheinungsdatum: 13.04.2019
Bildquelle/Klappentext: Amazon

Ein toter Jüngling.
Ein sprechender Spiegel.
Eine zerstörte Erde.

Verseuchte Luft, haushohe Müllberge und rivalisierende Warladys, von denen eine ihre Mutter ist: Das ist Elessas Welt. Jeder Schritt draußen kann den Tod bedeuten. Dennoch verlässt sie den Schutz des heimischen Palastes auf der Suche nach dem Mann, den sie eigentlich nie heiraten wollte. Die Alternative zu Dario jedoch, sein Stiefvater, wäre weit schlimmer. Der erschlich sich durch Mord seinen Platz als heimlicher Herrscher der rivalisierenden Familie und bedroht nun auch Elessas Heimat. Um ihm zu entgehen, folgt Elessa der einzigen Spur, die sie hat: den Worten eines mechanischen Spielzeugs aus längst vergangener Zeit.
Ist Dario wirklich tot und damit das nächste Opfer des ruchlosen Stiefvaters oder steckt wirklich Hoffnung in diesem einen Wort, das die Maschine für Elessa hat?

Wir werden in eine düstere Zukunft versetzt … in eine Welt, die nach einer großen Dunkelheit verseucht ist. Ein Atmen draußen macht krank, zu essen gibt es nur noch das, was der Rest Natur zu bieten hat, was übrigens nicht unbedingt appetitlich ist, und die Erde ist mit riesigen Müllbergen angehäuft.

Als ich mir das Szenario der gigantischen Müllhügel vorgestellt habe, habe ich unterschwellig schon die Ironie der Autorin heraus gelesen: „Tja, selber schuld, wenn ihr eure Umwelt über Jahrhunderte selbst vermüllt! Nun seht zu, wie ihr genau mit diesem Müll und den Folgen lebt und zurecht kommt!“

Jedenfalls suchen die Menschen auf den Müllbergen nach wiederverwertbaren Rohstoffen, die sie für Kleidung oder Waffen verwenden können.

Besser gesagt: Die Warladys lassen suchen! Denn in dieser Geschichte sind die Frauen an der Macht. Sie herrschen über einzelne Reiche, müssen dabei stärker als stark sein und dürfen keinerlei Schwäche zeigen oder sich gar Emotionen hingeben.

Schon irgendwie ironisch oder? Leute, die etwas zu sagen haben, wirken doch meist stark und über allem erhaben. Schwäche und Gefühle zeigen wird doch fast immer als mangelndes Führungsattribut gewertet und als Frau muss man leider erst recht knallhart sein, um als das „schwache“ Geschlecht in einer Männerhierarchie zu bestehen.

Mir hat der Gedanke gefallen, dass in dieser Geschichte das weibliche Geschlecht regiert. Obwohl es einen sehr bitteren Nachgeschmack gab, denn leider haben sich hier fast alle von der offensichtlichen äußeren Schönheit täuschen lassen, selbst eine knallharte Warlady, was ihr auch sehr zum Verhängnis wurde.

Ich habe lange darüber nachgedacht, was mir die Autorin damit sagen will … Ist es ein Fehler knallhart und emotionslos zu regieren ohne seine eingebauten Gefühlsantennen zu benutzen, die wir Frauen ja sogar sehr gut besitzen? Ganz sicher sogar, denn mutig und stark zu sein bedeutet doch vor allem, auch mal gegen den Strom zu schwimmen, wenn das erforderlich ist und eine hinterhältige Person, die sich hinter einer offensichtlich schönen und guten Fassade versteckt, erkennt man sicherlich nur, wenn man sein Köpfchen benutzt und auf sein Bauchgefühl hört. Frauen, die Frauen sein dürfen wären also die beste Wahl, nur mal so am Rande. 😉

Ihr merkt, für mich hat diese gerade mal 137 Seiten lange Dystopie mit Steam-Punk-Elementen unheimlich viel Tiefgang.

Dabei hatte ich zunächst leichte Probleme in die Geschichte zu finden, war verwirrt und konnte mich in der Welt mit den vielen Personen nicht richtig zurecht finden.
Doch bereits nach ein paar Seiten hat sich das schlagartig geändert, ich hatte meinen Sympathie Protagonisten gefunden und war startklar für das Abenteuer!
Tja, hier wurde auch ich getäuscht, denn das Böse, Hinterhältige habe auch ich nicht gleich erkannt.

Ihr lest hier wirklich eine Schneewittchen Variante, mit einem gigantisch anderen Setting!
Katherina Ushachov hat on top nur mal eben aus der Schneewittchen-Prinzessin einen Prinzen gemacht und aus der bösen Stiefmutter einen bösen Stiefvater.

Und natürlich gibt es den alles rettenden Prinzen, der auch einen Geschlechtertausch vollzogen hat. Diese Rolle übernimmt die Warlady-Tochter Elessa.

Ich bin so froh, dass es Elessa gibt. Sie ist für mich die Heldin dieser Geschichte. Sie hat ihr Herz am rechten Fleck, sie denkt scharf nach, lässt sich nicht blenden, folgt ihren Instinkten und setzt sich für Schwächere und die Wahrheit ein. Es müsste definitiv mehr Elessas auf dieser Welt geben.

Diese Märchenadaption, mit dystopischem Setting und Steampunk-Elementen, war ein echter Lesegenuss für mich.

Sie ist wahnsinnig rasant, intelligent und sozialkritisch geschrieben, was ich aufgrund der Kürze des Buches sehr beeindruckend fand.

Auch gibt es hier unvorhersehbare Wendungen, die für echte Ohhh-Effekte gesorgt haben und einen Kreis, der sich schließt, obwohl man das in dieser Art zu Beginn nicht vermutet hätte.

Rundum perfekt wäre die Geschichte für mich gewesen, wenn das letzte Viertel nicht gar so schnell abgehandelt worden wäre. Das ging mir teilweise alles etwas zu schnell zum richtig mit Fühlen. Das wäre allerdings nur das i-Tüpfelchen gewesen, denn eine Leseempfehlung bekommt das Buch allemal, nicht nur für Märchenfreunde übrigens.

Für alle, die es nicht wissen: „Die tote Prinzessin und die sieben Recken“ von Puschkin ist quasi die russische Variante von dem uns eher bekannten „Schneewittchen“ der Brüder Grimm und hat nur ein paar wenige Abänderungen. Es lohnt sich das russische Original vorher kurz zu lesen, wenn ihr es nicht kennen solltet, denn Katherina Ushachov hat dieses Märchen ganz fantastisch adaptiert. Ich suche ja immer nach Parallelen während dem Lesen einer Adaption und bin hier mehr als fündig geworden.

Eine sehr gelungene Adaption des Märchens „Die tote Prinzessin und die sieben Recken“ als Dystopie mit Steampunk-Elementen geschrieben.

Mir haben die hier verarbeiteten sozialkritischen Themen sehr gut gefallen. Unsere Umweltprobleme haben einen Raum erhalten sowie unsere politische Gesellschaft, ihr Stellenwert und ihre Rangordnung. Und natürlich der Appell an uns alle, sich doch von der äußeren Schönheit nicht blenden zu lassen und immer seinen scharfen Verstand einzusetzen ohne die Emotionen dabei außer Acht zu lassen.

☼eure Nicole☼

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